Donnerstag, 19. Februar 2015

Treffen? Oh, nein die Tic-Übernahme! Komm, trau dich!



So heute mache ich wie gewohnt weiter, mit den Fragen, die ich mir immer wieder stelle.

Diesmal geht es um die Frage: Was haben Touretter von Treffen mit anderen Betroffenen? Was sind mögliche Vorteile? Und was sind mögliche Nachteile? Diesmal bin ich das Thema aber nicht allein angegangen, sondern ich habe gemeinsam mit meinen ‚Blog-Beratern‘ dieses Thema besprochen. :D

Zunächst einmal mein ganz persönlicher Eindruck. Zum ersten Treffen kam zeitgleich eine Tic-Steigerung dazu, sodass wir den Anstieg auf das Treffen schoben. Auch dies war für mich damals kein Grund auf Treffen zu verzichten. Zwei Tage später konnte ich diese Steigerung auch besser verstehen. Jedenfalls ging es mir danach richtig gut. Und seitdem habe ich die Treffen auch immer gut überstanden. Klar, tice ich währenddessen mehr und auch danach noch eine Weile, dann pendelt sich der Pegel aber wieder ein. Und mal ganz ehrlich, durch die vielen verschiedenen Tics kommt auch eine richtige Konversation zustande. Der Trigger-König hat mal erzählt, vor seinem ersten Treffen hat er bestritten, dass Tics eine Form der Kommunikation sein könnten, dies meinte sein Therapeut immer. Nach dem ersten Treffen musste er dem aber zustimmen. Denn man muss nur mal anfangen ‚We will, we will…‘ zu klopfen/singen was auch immer. Einer wird den Satz sicher beenden. Irgendwo kommt immer eine Antwort her. :) Im Augenblick unterhalte ich mich auch viel mit Tourettern, die bisher keinen Kontakt hatten mit anderen. Immer wieder höre ich ‚Ich habe irgendwie Angst vor der Tic-Übernahme. Mein Arzt hat gesagt Treffen sind nicht so gut….‘ Zuerst erkläre ich ein bisschen, wie es bei mir war. Dann frage ich nach dem Arzt und sage sie könnten ihn mal gern einladen, dass sie mal sehen wie gut solche Treffen sind. ;) Und zuletzt erzähle ich, wie es ganz vielen nach den Treffen geht. In der Zivilisation angekommen wünscht man sich erst einmal auf den Heimatplaneten zurück. Und nach der ersten Gewöhnung läuft man mit einem inneren Mittelfinger durch die Straßen. Mir geht dann immer durch den Kopf: ‚Mir doch egal, was ihr denkt. Ich bin nicht allein und es gibt Momente, da stört sich niemand an mir.‘ Ich laufe bei diesem Gefühl auch immer besonders lässig. (Sieht wahrscheinlich total dämlich aus, aber egal:‘D)

Aber um euch zu beweisen, dass es nicht nur mir so geht und auch nicht nur den Betroffenen sondern auch deren Familien hier ein paar Ausschnitte von Leuten, die zu diesem Thema antworteten. 
Betroffene: 
Es ist von Touretter zu Touretter verschieden, ob man Tics übernimmt, oder nicht. Manche tun das und andere nicht. Ich bemerke bei Treffen einen Anstieg meiner Tics und in der Situation übernehme ich auch mal einen anderen Tic, aber sobald ich wieder zu Hause bin, sind die übernommenen Tics weg und der Ticpegel pendelt sich auch wieder ein. 
Man sollte aus Angst vor einer Ticübernahme nicht auf die Treffen verzichten. Man weiß vorher nie, ob man welche übernimmt oder nicht. 
Betroffene: 
Ich fühle mich völlig normal, niemand schaut auf die Tics der anderen und es wird viel gelacht. Umso früher die ersten Treffen stattfinden, desto mehr steigt das Selbstwertgefühl und man lernt sich selbst kennen. Ich bin aus den Treffen gestärkt und mit mehr Mut rausgegangen, trotz minimaler Ticübernahme. 
Betroffener: 
Ich denke man kann sich sehr gut Austauschen und man verliert die Angst, falls man welche hatte. Man lernt vieles, was man vorher nicht an sich erklären konnte. Nach dem Treffen war ich mutiger und gestärkt. 
Betroffene: 
Eine einzigartige Möglichkeit sich aus den Zwängen der Gesellschaft zu befreien und einen Überfluss an kreativer Energie zu spüren. Das gemeinsame Lachen über sich und seinen Kobold lässt Kraft schöpfen. Es ist aber nicht nur so, dass Betroffene die Treffen als Bereicherung ansehen, auch Eltern oder Geschwister sehen die Treffen positiv. 
Mutter: 
Also ich bin nicht betroffen, aber ich durfte bei einigen Treffen dabei sein.
Das Bild was sich mir geboten hat ist einfach nur mit phänomenal zu beschreiben. Sicherlich wurden Tics übernommen, aber die glücklichen Gesichter der Betroffenen waren überwiegend.
Das Glück und die Zufriedenheit in den Gesichtern der jungen Betroffenen zu sehen war einfach wundervoll, da spielt die Ticübernahme die kleinste Rolle. 
Mutter: 
Auch zu mir als Mutter wurde wiederholt gesagt, und noch öfter habe ich dies gelesen, dass solche Treffen wegen der Tic-Übernahme sehr gefährlich wären. Vor dem ersten Treffen hatte ich deswegen auch etwas Angst, das Bedürfnis meiner Töchter nach Kontakt zu anderen Tourettern war aber stärker. …Und ich kann, zumindest was die Betroffenen angeht mit denen ich zwischenzeitlich in Kontakt war, und dies sind einige, absolute Entwarnung geben! 
Meine Beobachtung dabei ist, dass sich beim Treffen selbst alle gegenseitig Triggern, zum Teil sogar ziemlich :-). Vor allem aber ist es eine Befreiung - es ist so normal das man ticct - es ist so schön das man nichts erklären muss - es ist so normal das man gemeinsam lachen kann :-) … 
Vater: 
Touretter müssen andere Touretter kennenlernen um Kontakte aufzubauen, Freundschaften zu schließen… Besonders für Kinder, die sich noch nicht im Internet austauschen sind Treffen sehr wichtig. 
Bruder: 
Es ist super wenn erfahrene TSler die Erfahrungen an jüngere weitergeben. 
Mutter: 
Ich stelle mir einen bunten Haufen Menschen vor, aus dem es zuckt und ruckt und die tollsten Geräusche zu hören sind. Das ist irgendwie sonderbar-wunderbar!
Und mein kleiner Lieblings-Touretter, der bisher noch keine Treffen mit vielen Tourettern erlebte stellt sich ein Treffen so vor:
Wenn sich 10 Touretter treffen stelle ich mir vor, dass sich alle gegenseitig anticen und eine eigene Tourettesprache haben.

Ich kann nur sagen, JA alle haben recht und warum sollte man diese schönen Emotionen außeracht lassen. Es waren ja jetzt nicht unbedingt wenige Meinungen, aber dennoch sehen alle das ähnlich. Und jeder Arzt, der jetzt immer noch sagt Touretter sollten sich nicht treffen. Sie sind gern eingeladen, nehmen Sie am besten noch eine Kamera mit, dann haben sie Lehrfilme für die nächsten 20 Jahre.!!! Da das Thema gerade so gut passt möchte ich noch unauffällig darauf hinweisen, dass das erste Treffen der Tourette-Selbsthilfegruppe Hessen nun steht. Am 12.04.2015 um 14:00 Uhr. Mehr hier


LifeTiccer

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