Ich beschäftige mich zurzeit viel mit Behandlungsmöglichkeiten
für das Tourette-Syndrom. Fragen die
sich mir da stellen sind ‚Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Können
Therapien weiterhelfen? Wenn ja, welche? Müssen immer sofort die Medikamente
her? Welche Medikamente werden dann eingesetzt? Und welche alternativen
Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Vielleicht fragt ihr euch jetzt warum ich mir überhaupt noch
diese Fragen stelle, schließlich habe ich ja schon einen Hirnschrittmacher.
Nun, wer mich in den letzten Monaten getroffen hat wird bestätigen können, dass
dieser bisher keine Erfolge erzielen konnte, man sagt dies braucht etwa 1
Jahr. Dennoch möchte ich keinen falls
für ein Jahr zu Hause sitzen und auf Besserung warten, das wäre mir viel zu
langweilig. ;) Aber nun möchte ich erst einmal mit ein paar allgemeinen Infos beginnen. Prinzipiell ist das Tourette-Syndrom nicht heilbar, jedoch
behandelbar. Oft sind keine Medikamente nötig, da die Tics minimal sind, falls
Medikamente allerdings benötigt werden greift man auf Neuroleptika
zurück. Auch ich habe diese genommen. Ich habe das Glück, außer bei meinem
ersten Medikament fast immer relativ Nebenwirkungsfrei diese Medikamente nehmen
zu können. Leider sind neben den Nebenwirkungen auch meist die Wirkungen
ausgeblieben. Dennoch finde ich diese
Medikamente sinnvoll, häufig helfen sie zumindest ein Stück weit mehr
Sicherheit im Alltag zu erlangen. Ich würde mir lediglich wünschen, dass es
wirklich mal ein gutes offizielles Medikament für das Tourette-Syndrom gibt.
Bisher laufen die meisten ‚Off-Label‘ d.h. sie sind zugelassen für andere
Krankheitsbilder. So tun sich die Krankenkassen hin und wieder schwer mit der
Kostenübernahme.
Neben den Medikamenten gibt es auch sinnvolle therapeutische
Angebote. Die Verhaltenstherapie kann zwar auch kein Tourette-Syndrom heilen,
aber man kann als Person gestärkt werden, sich besser verstehen lernen und auch
die Tics besser fühlen lernen. Das ist ganz wichtig um einer Tic-Explosion vorzugreifen.
Außerdem sind die Tics auch weniger stark (aggressiv) wenn man mit sich selbst
im reinen ist. Auch andere Therapien
sind sinnvoll, beispielsweise das Habit Reversal Training. Dies ist das
umleiten eines Tics, ohne diese Möglichkeit hätte ich die tiefe Hirnstimulation
nicht machen können, da ich mir ständig auf den Kopf oder die Brust geschlagen
habe. Nun passiert mir das nur noch bei extremen Stress oder wenn ich sehr müde
bin. (Für alle Interessenten hier ein Link)
Nun zu meinen persönlichen Erfahrungen, Meinungen und
Eindrücken. Ich persönlich habe ein therapierefraktäres Tourette-Syndrom, wie
es die Ärzte gern nennen. Das bedeutet nichts weiter als therapieresistent. Um
diesen Status zu ‚erreichen‘ musste ich auch erst einiges ausprobieren. Zu Beginn
kamen die Neuroleptika. Diese brachten nicht die erhoffte Besserung, dennoch
nahm ich weiterhin welche, zum einen weil es so viele gibt und man nach einem
Medikament nicht sagen kann, dass nichts hilft. Zum anderen, weil ich die
Befürchtung hatte, dass es inzwischen ganz ohne Medikamente noch schlimmer
wäre. Immer wieder lese ich, dass Medikamente eingeschlichen werden und nach
nicht mal einer Woche alle Nebenwirkungen des Beipackzettels aufgetreten sind.
Einerseits finde ich, dass man sich nicht selbst diesen Beipackzettel durchlesen
sollte, sondern eine vertraute Person dies tun sollte. Andererseits denke ich
(entschuldigt diese klaren Worte) wenn man diesen Zettel durch liest sollte man
auch die Stelle lesen, in der vermerkt ist, dass diese Medikamente erst eine
Weile brauchen um eine Wirkung zu zeigen. Klar sind Nebenwirkungen nicht schön,
ich habe zugenommen, bekam eine depressive Verstimmung, schwitze viel… das
gehört aber dazu. Nach den Neuroleptika
wollte ich Cannabishaltige Medikamente versuchen. Zum Glück machte dies meine
Ärztin möglich. Und anfangs ging es mir richtig gut mit diesem Medikament, dann
bekam ich eine Tic-Steigerung und der ‚super‘ Effekt des Medikaments war nicht
mehr vorhanden. Bis heute nehme ich es weiterhin. Aber nicht zum Vergnügen,
sondern weil ich ohne dieses Medikament nicht einmal laufen könnte, mein ganzer
Körper verliert dann die Kontrolle und ich kann eigentlich nicht mehr wirklich
was machen, außer mich und andere zu nerven und gefährden. Nach und während diesem Medikamentenversuch,
kam die Entscheidung einen Hirnschrittmacher zu implantieren. Diese
Behandlungsmethode kommt allerdings nicht häufig beim Tourette-Syndrom in
Frage, einfach weil es zum Glück sehr oft nicht nötig ist. Nun ist es so, dass
ich für eine Ausnahmegenehmigung zum Gebrauch der Cannabisblüten
‚kämpfe‘ und was für mich viel viel entscheidender ist, ich benötige eine
Kostenübernahme der Krankenkasse, da ich mir dieses Medikament nicht selbst
leisten kann. Cannabis ist für mich keine Droge, davon erfahre ich keinen
Rausch oder ich verwende es auch nicht als Genussmittel, sondern es ist ein
Medikament für mich. Wenn ich Cannabis konsumiere passiert nur eins mit mir,
meine Gedanken ordnen sich, in meinem Kopf sind nicht bloß Tics sondern auch
mal Platz für eigene Gedanken. Ich habe mehr Kontrolle über mich und meinen
Körper. Warum sollte dies also kein Medikament sein? Allerdings ist das auch
kein Wundermittel, Studien haben auch gezeigt, dass Cannabis niemanden heilt
oder allen gleich gut hilft. Manche Touretter sind zu 98% Ticfrei , anderen
bringt es mehr Ruhe und Kontrolle und wieder andere haben Nebenwirkungen.
Jetzt zu den alternativen Behandlungsmethoden. Ich glaube am
bekanntesten ist da die Botoxbehandlung,
dabei werden Muskellähmungen durch das Gift hervorgerufen. Dadurch tritt der
Tic weniger oder nicht mehr an einer bestimmten Stelle auf. Diese Behandlung
hält zwischen 3-4 Monaten. Dann wird auch noch immer wieder davon gesprochen,
dass die Ernährung eine Rolle spielt. Dabei ist es mir allerdings nicht zu
Ohren bekommen, dass man eine Tic-Verbesserung erreichen kann. Man kann
allerdings eine Verschlechterung verhindern. Beispielsweise durch den Verzicht
auf zu viel Zucker, Koffein oder Alkohol. Dies ist allerdings auch kein
wirkliches Rätsel, da auch bei gesunden Menschen diese Mittel aufputschen. Bei
Tourette eben auch die Tics. Ich sage dann immer: Gib dem Affen Zucker! ;) Und
die letzte Alternative, die ich vorstellen möchte ist der Einsatz von
Zahnschienen. Ich bin nun auch in Foren unterwegs und dort laß ich mal, dass es
Zahnärzten gelungen sei das Tourette-Syndrom mittels einer Schiene zu heilen.
Nun an eine Heilung glaube ich nicht aber eine Besserung schließe ich nicht
aus. Auch ich habe eine Schiene zum schlafen, diese trage ich allerdings nur,
da ich sonst morgens Schmerzen im Kiefer haben, außerdem lächle ich damit immer
so schön. ;) Für alle die mehr Infos möchten: hier die PDF Datei
von Prof. Müller-Vahl (Hannover)
Nun das war jetzt ziemlich viel, aber ich finde dies ein
wichtiges Thema und ich bin der Meinung, darüber muss man schon etwas wissen,
Eltern besonders um ihren Kindern nicht zu schaden. Man muss auch auf den eigenen Körper achten,
denn manchmal zeigt dieser einem am besten was gut für einen selbst ist. Ich
freue mich, wenn ihr es bis hier geschafft habt. Und wünsche euch einen schönen
Wochenstart.
LifeTiccer
Hallo,
AntwortenLöschenich weiß nicht, ob du die Kommentare auf deiner Seite noch liest, aber ich hatte trotzdem das Bedürfnis zu schreiben. Vielleicht ist mein Tipp ja hilfreich.
Ich habe gelesen, dass du keine konkreten Ernährungsempfehlungen kennst. Hast du vielleicht schon einmal von einer ketogenen Ernährungsweise gehört? Dabei werden radikal alle Kohlenhydrate weggelassen, was den Körper dazu veranlasst, auf eine andere Art des Energiestoffwechsels umzustellen (die Ketose). Diese Diät ist besonders bei neurologischen Erkrankungen oft hilfreich bzw. wird immer populärer in Zusammenhang mit Epilepsie oder Migräne. Es geht wohl unter anderem darum, dass bestimmte Gehirnareale eine Insulinresistenz entwickeln, was dann zu Symptomen führt. Deshalb kann der Kohlenhydratverzicht sinnvoll sein.
Mir ist beim Stöbern durch deinen Blog aufgefallen, dass du morgens nach dem Aufstehen noch keine Tics hast, was ja auch zu einem Zusammenhang mit dem Blutzuckerspiegel passen würde.
Ich hoffe, du kannst mit den Infos vielleicht etwas anfangen. Zur Ketose gibt es einiges im Netz, vieles leider eher noch auf Englisch.
Lieben Gruß!