Wie würdet ihr reagieren, wenn euch auf Grund einer schrägen
Nase oder buschigen Augenbrauen Hass und Ausgrenzung entgegen gebracht werden?
Was würdet ihr sagen, wenn über eure Person schon mehr Gerüchte im Umlauf sind,
bevor ihr euch überhaupt vorstellen konntet? Zurzeit gibt es ein größeres
Projekt von Wissens-Youtubern, dieses nennt sich #YouGeHa. Darunter zeigen
Youtuber, dass sie etwas gegen Fremdenhass haben. In ihren Videos beschäftigen
sie sich auf unterschiedliche Weise mit diesem Thema. Ich finde diese Aktion
wirklich toll, daher dachte ich mir, dass ich mich irgendwie daran beteiligen
möchte.
Natürlich kann ich nicht darüber berichten, wie
sich ein Moslem in Deutschland fühlt oder mit welchen Schwierigkeiten Asylanten
zurechtkommen müssen. Denn zum Glück habe ich das nie erleben müssen, aber auch
Menschen mit einer Behinderung sind nicht geschützt vor Hass und Ausgrenzung.
Bis vor ein paar Jahren, lies sich für mich nicht
einmal erahnen, dass mein Leben diese Wendung nimmt. Aber ich wuchs in einer
Großfamilie auf, schon in der Grundschule gab es viele Vorurteile gegenüber
meiner Familie. Damals war ich öfter traurig darüber, denn wer möchte schon mit
diesen ‚Assis‘ spielen. Doch als wir nach einer Zeit die meisten davon
überzeugten, dass auch Kinder aus einer Großfamilie etwas auf dem Kasten haben,
verabschiedeten sich die Vorurteile. Im Gegenteil, schnell fiel auf, dass meine
Geschwister und ich eine besonders hohe soziale Kompetenz besitzen. Nach der
Grundschule hatte ich nie wieder Probleme durch Ausgrenzung auf Grund meiner
Familie. Und schon da war für mich klar, ich möchte einen Beruf ergreifen, in
dem ich Menschen helfen kann. Damals war es Notärztin im Rettungshubschrauber.
Naja irgendwann stellte sich raus, dass ich Höhenangst habe und Blut mich
schrecklich nervös macht. Also entschied ich mich um. Erzieherin war ab da mein
Traumberuf. Und nach meinem Abschluss begann ich mit der Ausbildung zur
Sozialassistentin (die Ausbildung vor dem Erzieher). Natürlich ging es auch in
der Ausbildung immer wieder um Behinderung und vor Ostern 2013 stand auch ein
Praktikum im Heilpädagogischen Bereich an. Um ehrlich zu sein, vor dieser
Aufgabe hatte ich riesen Angst. Ich ekelte mich nicht vor den Bewohnern,
sondern ich wusste einfach nicht, wie ich mit ihnen umgehen sollte. Aber nach
nur ein paar Tagen, kam ich ganz gut zurecht. Irgendwie habe ich festgestellt,
die Bewohner waren auch nur Menschen und so sollte man sie auch behandeln.
Kurz nach dem Praktikum bekam ich meinen ersten
bleibenden Tic. Ich drehte die Hand, ähnlich wie Luca Toni bei seinem Torjubel.
Wenn Tische in der Nähe waren schlug ich drauf. Schreiben viel mir häufig
schwer, da der Tic links war und ich mit Links schreibe. Für mich war die
Situation zu dem Zeitpunkt noch nicht schlimm. Meine Klasse gab mir Rückhalt
und auch bei den Lehrern gab es kein Problem. Dann nach den Sommerferien,
explodierten meine Tics, immer wieder kamen Laute später dann Worte. Für mich
stellte die Schule aber immer noch kein Problem dar. Meine Klasse war einfach
spitze, sie störten sich überhaupt nicht an den Tics und die die damit nicht so
zurechtkamen, haben sich einfach rausgehalten. Im Kindergarten, meiner
Praktikumsstelle gab es zu diesem Zeitpunkt auch noch keine großen
Schwierigkeiten. Den Kindern erklärte ich es und die Erwachsenen störten sich
nicht daran. Doch dann kam auch die Koprolalie (ausrufen obszöner Wörter) dazu.
Ab da stellte mein Tourette-Syndrom ein Problem dar. Lehrer beschwerten sich
und dachten ich würde provozieren. In meiner Praktikumsstelle konnte ich auch
nicht bleiben. Zu dem Zeitpunkt war ich wirklich mit den Nerven am Ende, so
entschied ich mich, nach dem ich auch die zweite Praktikumsstelle verlor, die
Ausbildung zu unterbrechen. Für mich die wohl schwerste Entscheidung die ich
bis dahin treffen musste. Aber da fing das Problem erst an. Immer wieder merkte
ich, wie mich Leute mieden. Anfangs ging das noch ohne Worte, so z.B. saß ich
mit meiner Mama am Bahnhof. Neben mir eine ältere Dame, da ich einen Stampftic
habe meinte die Frau, ich solle ihr nicht auf die Füße treten, in einem
Recht unfreundlichem Ton. Für sie war
ich nur wieder eine unhöfliche Jugendliche. Meine Mama wollte dies nicht auf
sich beruhen lassen, also erklärte sie der Frau, warum ich das tat. Mitten in
der Erklärung stand sie auf und ging auf einen anderen Sitzplatz. Schon das
machte mich traurig, aber ich wusste nicht, dass es noch härter kommen konnte.
Ich will jetzt auch nicht alle Geschichten
erzählen, dass würde dein Rahmen sprengen. Nur so viel, es wurde mir schon
geraten in ein Heim zu gehen, oder mir wurde auf die Nase geschlagen. Und das
alles immer ohne, das ein Anderer eingriff. Im Gegenteil, du Leute stellten
sich dazu und wenn sich die Chance erbot, gaben sie ihren Senf dazu. So als
hätten alle nur darauf gewartet ihren angestauten Frust mal ablassen zu können.
Mich verletzten diese Dinge immer sehr und meine Angst auf die Straße zu gehen
wurde immer größer und größer. Heute ist es so, dass für mich einkaufen riesen
Stress bedeutet oder eine Runde mit dem Hund zu spazieren, voller
Diskriminierung und Ausgrenzung ist. So ist es mir z.B. passiert, dass ein
Restaurant bei mir um die Ecke Unterschriften sammelte, nur damit ich dort
nicht mehr vorbei gehen darf. Als ich mich von den Unterschriften nicht
vergraulen lies, riefen sie das Ordnungsamt. Meine lieben Freunde in der
Uniform waren leider auch nicht sehr positiv gestimmt, aber nach einer langen
Diskussion und dem beherzten Eingreifen mehrerer Gäste, durfte ich weiter dort
entlang laufen. Solche Reaktionen machen mich fassungslos. Und es ist auch
nicht damit zu entschuldigen, dass die Leute Tourette nicht kennen. Oder dass
man nicht weiß, wie man reagieren soll. Jeder einzelne wurde von irgendwem
erzogen und bekam schon recht früh beigebracht, was Recht und Unrecht ist. Und
es ist doch wohl klar, dass Gewalt, Diskriminierung und Hass Unrecht ist. Fragt
euch einmal, wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr von jetzt auf gleich
behindert seid? Oder ihr in Deutschland nicht mehr sicher seid nur, weil ihr schwul
oder lesbisch seid. Wir hatten das alles schon, denkt an das dritte Reich, an
die vielen Menschen, die auf Grund von Behinderungen, Religion oder Sexualität
starben. Wollt ihr das wirklich zurück?
Jeder hat irgendwas an sich, weswegen die Person gehasst werden könnte.
Vielleicht sind es Segelohren, oder eine Zahnlücke. Ihr kennt die Leute nicht
und wegen diesen blöden und völlig unsinnigen Vorurteilen, gebt ihr einem nicht
mal die Chance zu beweisen wer er oder sie wirklich ist. Die ganze Welt weiß dass es extreme Moslems
gibt, aber es gibt immer Menschen die ein extremes Weltbild haben. Meine
Generation kennt die Folgen von Ausgrenzung und Diskriminierung vielleicht so
nicht. Dafür sollten wir aber dankbar sein, anstatt wieder Menschen
auszugrenzen. Unsere Eltern kennen die DDR, vielleicht hatten sie das Glück im
Westen zu Leben, aber ihr kennt die Berichte aus der DDR. Unsere Großeltern
oder Urgroßeltern hatten das dritte Reich. Das alles ist noch nicht lang her,
aber anscheinend zu lang. Wacht auf und seht was wir zerstören. Reicht euch die
Hand und seit füreinander stark. Denn egal, ob Schwarz oder Weiß, ob
Homosexuell oder Heterosexuell, ob Behindert oder Gesund, jeder ist ein Mensch
und verdient es wie einer behandelt zu werden.
Hier noch in paar Links zu den Videos der Youtuber
Warum wir ALLE tolerant sein sollten- SoBehindert
Warum wir ALLE tolerant sein sollten- SoBehindert
Setzt ein Zeichen für Toleranz
LifeTiccer
Ein sehr aussagekräftiger Eintrag. Ich finde es sehr gut, wie du dich ausdrückst!!
AntwortenLöschenLiebe Grüße