Samstag, 13. September 2014

Als ich das Krümmelmonster traf

Diesmal geht es um meinen ersten Besuch bei einer Initiativgruppe, um genau zu sein bei der T.I.M. - Tourette-Syndrom Initiativgruppe Mittelfranken. Ich meine es war im März und seit circa 2 Monaten bin ich nicht mehr zur Schule gegangen. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, meine Familie kann mich nicht verstehen, dass habe ich ja selbst nicht mal. Und durch ein tolles Forum habe ich dann noch viel tollere Menschen kennengelernt. Und wie sich der Zufall so traf, waren diese Gründer der T.I.M. Mir war sofort klar, da muss ich hin. Nur wohnen wir, meine Familie und ich, in Hessen und Mittelfranken ist eine kleine Reise. Dieser Meinung waren meine Eltern zunächst auch. Doch ich hatte noch ein Ass im Ärmel, Maria. Sie und ihre Familie haben diese Gruppe gegründet. Und Maria hat eine Geheimwaffe, sie ist der netteste und zugleich überzeugenste Mensch, den ich kenne.
Also ließ ich sie mit meiner Mama telefonieren. Um auf den Punkt zu kommen nach einem kurzen Gespräch ,von 20:00 Uhr- 02:00 Uhr, zwischen den beiden, verkündete mir meine Mama 'Wir müssen unbedingt mal nach Erlangen fahren um Maria und ihre Familie kennenzulernen.' 
Ich dachte mir ' Ist klar Mama, ich nörgle Wochen an dir herum und die Maria ruft einmal an und hat es geschafft.' Aber mir war es egal, Hauptsache mir fahren hin.
Eine Woche vor dem Treffen war ich aufgeregt und das spiegelt sich in den Tics wieder, sie wurden mehr. Aber an dem Tag als wir nach Erlangen fuhren, war es echt extrem. Doch mir war das egal, ich wollte dorthin. Wir haben uns vor dem eigentlichen Selbsthilfe-Treffen mit der Familie von Maria getroffen. Zuerst kamen nur eine Tochter von Maria, Maria Cristina und ihr Vater Jose. Maria Cristina hat auch Tourette und sie ist auch ungefähr in meinem Alter.Vorher haben wir schon miteinander geschrieben und einmal telefoniert. Ein Treffen ist trotzdem etwas anderes. Es war jetzt also soweit. Mein erstes aufeinader Treffen mit einem anderen Touretter. Und dann ging alles so schnell. Die Begrüßung viel so aus, als kannten wir uns schon ewig. Es war auch überhaupt nicht komisch jemand anderen ticen zu sehen, es war eher lustig. Aber die Tics waren schon viel mehr, wir haben uns gegenseitig aufgestachelt. Inzwischen sind auch Maria und ihre zweite Tochter Anna zu uns gestoßen und wir machten uns auf den Weg in ein Restaurant. Ich behaupte mal auf dem Weg und auch im Restaurant hat man uns ein bisschen bemerkt. Doch es war mir überhaupt nicht unangenehm. Beim Essen verliebte sich dann meine kleine Schwester in die Anna und ab da hatte Anna einen anstrengenden Tag. Nachdem unsere Bäuche voll waren, nahmen wir in einem anderen Cafe noch einen Verdauungstrunk zu uns. Noch ein schneller Kaffee und dann gingen wir endlich zum Treffen.
Nach und nach kamen immer mehr Leute, Betroffene, Angehörige und Inventar;).

Es war direkt wie in einer großen Familie. Wir tauschten uns alle aus und es war ziemlich laut. Wenn in der einen Ecke jemand auf den Tisch schlug, ging es gleich rum wie eine 'La Ola'. Wirklich lustig. Mein Tourette entdeckte sogar seine Schwäche fürs singen. Ein Beispiel. Wir waren in einem Gespräch und dann sagte jemand ' Ich habe so viele Gedanken im Kopf.' Daraufhin fing ich an zu singen: ' Das ist alles nur in deinem Kopf.' Alle lachten. Und ich? War erst verdutzt und musste dann auch lachen.
Und was ich ganz besonders fand, es war für diesen einen Nachmittag so, dass alle die ticen 'normal' waren und die 'Normalen' waren anders. Also ich fühle mich sonst auch, wie ein 'normaler' Mensch nur sehen, dass die Nicht-Betroffenen auf der Straße gelegentlich etwas anderes. 
Übrigens Austausch zwischen Angehörigen ist ein vollkommen anderer Austausch, als der zwischen Betroffenen. Angehörige reden über das Leben mit Tourette und sie geben sich Ratschläge.
Austausch zwischen Betroffenen funktioniert so: 'Schleuderst du auch deinen Kopf?' 'Ja.' Dann ist erstmal gut, wir reden über andere Themen, bis jemand einen Tic macht, den man nicht ignorieren kann oder will, dann lacht man oder sagt:' Das mache ich auch'.
Das Lustigste was mir mal beim Austausch passiert ist ,war während einer Pause. Alle standen auf der Terrasse. Plötzlich fragt ein Touretter in die Runde' Kennt ihr das, wenn euer Gehirn manchmal so kribbelt?' Und die Reaktionen darauf waren völlig verschieden. Die meisten Touretter stimmten zu, aber die nicht Betroffenen schauten uns so komisch an. Und ich kann nur allen Menschen sagen, die das nicht kennen. Ihr verpasst was, wer mag keine angenehme Gehirnmassage. :)

Als wir fahren mussten, wollte ich nicht. So dauerte die Verabschiedung auch anstatt 10 Minuten 1 Stunde. Mein Papa stand ewig mit den Taschen und Jacken in der Tür und meine Mama und ich ließen uns Zeit. Denn obwohl meine Mama erst skeptisch war, jetzt ist sie auch immer eine treibende Kraft, wenn es darum geht zu einem Treffen zu fahren.
Am nächsten Tag hatte ich heftige Tics, erst dachte ich diese Steigerung lag an dem Treffen, doch dem war nicht so. Tourette ist eine Krankheit die in Wellen verläuft, mal ist es mehr und dann auch wieder weniger, und ich hatte einfach einen Schub. 
Aber ich habe auch Tics mitgenommen von dem Treffen z.B. sage ich häufig beim Essen 'Krümmelmonster' und mache dann Essgeräusche. Den Tic finde ich selbst cool und mit diesem ist es mir auch schon gelungen, Menschen, die sich fest vorgenommen haben aus Respekt nicht über die Tics zulachen, was vollkommener Blödsinn ist, zu brechen. Beim Krümmelmonster sind schon so einige Lachtränen geflossen.
Und an diesem Tag bekam auch Maria Cristina ihren eigenen ganz speziellen Spitznamen von mir. Es ist nämlich so, Maria Cristina sagt 'Katzengulasch' und darauf reagiere ich immer mit der selben Antwort. Leider kann ich dies ihr jetzt nicht schreiben, da es nicht ganz jugendfrei ist.
Mein Fazit von diesem Treffen ist: Ich kann nur jedem empfehlen eine solche Gruppe aufzusuchen, denn ich schöpfe immer unendlich viel Kraft daraus. Und wer sich auf eine Initiativgruppe einlässt wird automatisch aktiv, egal ob es im Vordergrund bei Veranstaltungen ist oder ein im Hintergrund agierender Organisator.

Jetzt verabschiede ich mich für heute, aber Abschied hin, Abschied her, morgen schreibe ich mehr. :)

LifeTiccer

6 Kommentare:

  1. Super Text!
    Du schreibst echt richtig klasse. :)
    Freu mich schon auf den nächsten Eintrag. :)

    Liebe Grüße
    Das blonde Inventar *schnief* ;)

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    1. Wer wohl das blonde Inventar ist??? :D
      Ich freue mich, dass dir der Text gefällt.

      Viele liebeGrüße

      LifeTiccer

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  2. Sonst nicht gerade wortkarg, wie Du ja so schön beschreibst ;-), fehlen mir jetzt gerade die Worte!
    Ja, bei T.I.M.sind wir wie eine Familie und wir alle zusammen gehen mit viel Humor und positivem Denken durch dick und dünn.
    Ich freue mich schon auf den nächsten Beitrag morgen!

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  3. Deine arme Mutter und die liebe Frau Ortega hast du ja ganz schön aufs Korn genommen, schnief.
    Ich schmeiße mich weg vor lachen, komm du mir morgen nur runter, hihi.
    Gruß und Kuss d.mom

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  4. Ich freue mich auf noch viel mehr von dir und habe jetzt das Wort "Krümelmonster" für mich entdeckt....mein Kopf sagt es jetzt die ganze Zeit :-)))).

    LG Corinna

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  5. Katzengulaschschl...... ;)13. September 2014 um 02:20

    Ein toller Artikel, der mich wirklich zum Lachen gebracht hat. Ich liebe unsere kleine 'Geheimsprache' und sage nur "KATZENGULASCH" ;)
    Dein Krümelmonster

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