Mein persönliches Tourette-Syndrom

Heute möchte ich über mein persönliches Tourette-Syndrom schreiben. Warum mein persönliches? Ich habe in den letzten zwei Jahren viele Leute ticen hören oder ticen sehen, aber keiner tict gleich, doch alle ticen richtig. :) Diese Individualität macht Tourette für viele auch schwer zu verstehen, nur weil man einen Touretter kennt, versteht man lange noch nicht alles. Deswegen kann ich auch nur über mein persönliches Tourette-Syndrom sprechen.
Mmmmh... Es ist garnicht so einfach das zu erklären. Ich fange einfach mal an. Meine Tics sind sehr ausgeprägt, sie sind laut,sehr oft, sehr auffällig, manchmal gefährlich oder schmerzhaft aber sehr sehr oft auch einfach nur lustig.
Morgens nach dem Aufstehen habe ich noch eine kurze Zeit Ruhe, denn mein Tourette ist ein Langschläfer. Nach 20-40 Minuten sind dann auch die Tics da. In der ticfreien Zeit am Morgen bereite ich mich für den Tag vor, denn Kajal lässt sich sehr schwer auftragen, wenn der Kopf nicht mehr stillhält. Nach dem ich mich für den Tag frisch gemacht habe, gehe ich zurück in mein Zimmer. Dort mache ich mein Bett, 3 mal. Warum 3 mal? Zu meinem Tourette gehören nicht nur Tics sondern auch so genannte Begleiterkrankungen, wie z.B. bei mir die Zwangshandlungen und Zwangsgedanken.
Nach dem ich die Aufgaben in meinem Zimmer erledigt haben, bisher mit nur leichten Tics, wie blinzeln,Tiergeräuschen,Zunge raussterecken, Schrittfolgen, Kopfschütteln und anderen Tics, deren Auflistung zu umfangreich wären, gehe ich ins Wohnzimmer und nehme meine Medikamente für den morgen (Neuroleptika). Dann verläuft mein Tag für mich ganz normal. Ich gehe nicht mehr zur Schule oder zur Arbeit, also bin ich die meiste Zeit zu Hause.Den gesamten Tag über verteilt nehme ich mein anderes Medikament ein. Die Tics sind inzwischen so, dass man sie eigentlich nicht mehr ignorieren kann. Ich schimpfe laut, schreie gelegentlich entweder Schimpfwörter oder ein dreifaches Hey. Viele meiner Tics wiederhole ich 3,6,9... mal. Irgendwie ist die 3 und die 3-er Reihe magisch für mich. Ich mache Tiergeräusche und schlage mich oder Gegenstände, daher habe ich auch nur noch Plastikgeschirr. Es gibt noch viele andere vokale Tics, aber manche kann man auch nicht erklären, z.B. mache ich ein Geräusch, dazu sagen meine Eltern es klingt wie ein Delfin. Die motorischen Tics sind da leichter zu erklären. Neben den Schrittfolgen, springe ich gelegentlich, ich schlage mir beispielsweise auf den Oberschenkel oder in den Bauch, mein Kopf schleudere ich eigentlich fast ununterbrochen in alle Richtungen und mein linker Arm tanzt auch ständig aus der Reihe, natürlich gibt es auch noch mehr motorische Tics, aber das reicht ja schon. Nein, doch nicht eine Sache kann ich noch besonders gut... Grimassen schneiden. Meine böse
Oma-Grimasse bringt alle zum lachen.
Neben den 'festen' Tics, habe ich noch ganz spontane Tics, manche sind ganz nett, wie z.B. wenn mich jemand traurig oder verärgert anschaut, kommt es vor, dass ich diese Person kitzle, bis sie lächelt.
Dann kommt es aber auch vor, dass Menschen wegen einer Auffälligkeit (Rollstuhl) oder ihrer Herkunft etwas nicht so nettes zu hören bekommen. Das hat dann nichts mit der Person direkt zu tun oder mit meiner politischen Einstellung, sondern dieser kleine fiese Kobold in meinem Kopf sucht sich immer die gemeinsten Sachen. Wirklich fies ist es, und das kann mein Vater sicher bezeugen, wenn ich in einem Laden, indem vor kurzem Bombenalarm war, ganz plötzlich 'Polizei, Polizei, Überfall' schreie. Mein Vater wäre am liebsten in das Jogurtregal zurückgefallen, in das ich ihn kurz vorher schubste.
Bei Aufregung oder Stress, eigentlich bei jeder Emotion, steigern sich meine Tics. Um sich eine Vorstellung zumachen in einem Arztbericht steht 'circa alle 2 Sekunden ein Tic' . es gibt allerdings auch ruhigere Phasen, da habe ich dann in der Minute 10-20 Tics. Und im Schwimmbad oder wenn mich Wasser umgibt sind meine Tics höchstens so stark, wie am Morgen.
Gegen Abend und in der Nacht habe ich immer mehr Probleme zur Ruhe zukommen. Stillhalten zum schlafen, ist nicht meine größte Stärke. Ach und falls sich jemand fragt, ob ich auch beim schlafen Tics habe. Die Antwort ist Jaein. Bis ich fest eingeschlafen bin sind noch leichte, ganz leichte Tics da.
So jetzt bin ich aber fertig, der Text heute ist ein bisschen länger geworden, aber ich hoffe ihr lest ihn trotzdem bis zum Schluss.

Denn jetzt möchte ich mich nochmal für das Teilen und Kommentieren, aber besonders für das tolle Feedback den Blog betreffend bei ALLEN bedanken. Ich bin den ganzen Tag schon am grinsen :)

Bis morgen
und
Danke

LifeTiccer