Freitag, 12. September 2014

Der Weg zur Entscheidung

Nur noch 11 Tage und der Rest von heute, dann geht es los. In diesem Eintrag schreibe ich über die tiefe Hirnstimulation und alles was dazu gehört. 
Es geht mir nicht darum, die Fakten aufzulisten. Ich will euch erzählen, wie es zu dieser Entscheidung kam und wie ich mich damit fühle und fühlte, denn leicht habe ich es mir wirklich nicht gemacht. 
Meine Symptomatik, hat sich stätig gesteigert und egal welche Medikamente ich ausprobiert habe, geholfen hat nichts. Im Januar 2014 hatte ich einen Kontrolltermin an der MHH, bei diesem Gespräch kam die tiefe Hirnstimulation (THS) zum ersten Mal zu Sprache. Doch zuerst probierten wir noch ein weiteres Medikament aus. Also war die THS erstmal wieder vom Tisch, das war mir auch ganz recht, die OP wäre zu diesem Zeitpunkt keine Option. Dann verging eine ganze Zeit. Das Medikament schlug zuerst gut an. Ich hatte viel weniger Tics und ich bin mit einem wahnsinns Selbstbewusstsein durch die Staßen gegangen. Nur dann bekam ich einen richtig heftigen Ticschub und die Wirkung des Medikaments war verflogen. Der Kobold im Kopf wollte sich nicht unterkriegen lassen. Wir haben dann noch probiert verschiedene Medikamente zu kombinieren, ohne Erfolg. In dieser ganzen Experimentierphase, habe ich immer öfter über die THS nachgedacht und viele Gespräche dazu geführt. Aber der Gedanke gefiel nicht nur mir nicht. Ganz oft, wenn wir über die OP gesprochen haben bekam ich einen ganz bestimmten Tic. Ein ' Nein, Nein, Nein'. Der fiese kleine Kobold wollte die OP auch nicht. Ich kann überhaupt nicht genau sagen, warum ich die OP nicht wollte. Die Angst vor dem Engriff war es eigentlich nicht, es war viel mehr die Angst, als Nebenwirkung eine eingeschränkte Sprache zu bekommen. Trotzdem entschied ich mich dazu, mich im Mai an der MHH über die tiefe Hirnstimulation informieren zu lassen. Bei diesem Gespräch wurde mir so gut wie meine gesamte Angst genommen. Ein bisschen ist geblieben, schließlich wird an meinem Gehirn operiert und ich verliere meine schönen Haare ( eine Kurzhaarfrisur).
Also an diesem Tag habe ich die Entscheidung getroffen, dass es die THS sein soll. Vom Kopf her war die Entscheidung ab diesem Zeitpunkt auch ok für mich. Nur dachte ich mir immer 'Ich brauche das nicht. So schlimm bin ich nicht betroffen....' Ende Mai war ich dann auf einem Initiativgruppentreffen, etwas ganz wichtiges für mich. Erst an diesem Tag ist mir die Ausprägung meines Tourette-Syndroms klar geworden. Also echt, manchmal brauche ich ewig um was zu kapieren. 
Ab da ging alles ziemlich schnell. Ende Juni, war ich wieder an der MHH aber diesmal in der Neurochirugie, zum Vorgespräch. Eigentlich sollte ich ganz viel Zeit  mitbringen... 20 Minuten vor dem eigentlichen Termin, war ich an der Reihe. Manchmal hat Tourette wirklich Vorteile, denn bei dem Krach den ich mache muss ich nie lange Warten. Das Gespräch endete mit dem Aufnahme-Termin am 23.09.2014. Ich war überglücklich, selbst meine Tics tanzten vor Freude. Die Bewegungen, die ich machte kann man mit dem freudigen Gespringe eines Kleinkindes vergleichen.
Im Auto fragte mein Bruder, der mich begleitete, wie es mir geht.
Mir sind sofort die Tränen in die Augen geschossen und ich sagte 'Ich bin überglücklich, endlich habe ich einen Termin. Für mich ist die OP, der Geburtstag in ein neues Leben.'  Das ist es wirklich und zwar egal, wie die OP ausgehen wird. Danach habe ich alles ausprobiert. Entweder schlägt die Stimulation so gut an, dass ich meine Ausbildung beenden kann und ein 'normales' Leben führe oder ich sie schlägt nicht so gut an. Das ist aber für mich kein tragisches Schicksal, dann werde ich eben ein Selbsthilfe-Guru und engagiere mich ehrenamtlich, als Beruf. Davon kann man nicht reich werden, aber glücklich.
Nach diesem Tag, habe ich nie wieder dieses 3-fache Nein gesagt, wenn es um die OP geht. 
Heute 11 Tage und ein paar Stunden vor der THS kann ich es kaum noch erwarten. Es sind gemischte Gefühle. Angst vor dem Ungewissen, Unsicherheit so weit weg von zu Hause allein. Aber die größten und stärksten Gefühle sind die Freude und die Nervosität. Ich bin wirklich ungeduldig und warten kann ich überhaupt nicht leiden. Wirklich, manchmal bin ich wie ein kleines Kind, welches im Auto sitzt und nach fünf Minuten fragt 'Wann sind wir da?'.  

Und hier dann noch die bisherige Planung:

Vor der OP:
-zerebraler Kernspin in Vollnarkose,wegen der starken Tics
-ein ausführliches psychologisches Rating zur späteren Verlaufskonrolle
THS:
-posteroventro-laterale GPi-Elektrode kombiniert mit einer anteromedialen GPi-Elektrode bzw.
posteroventro-laterale pallidale Elektrode mit einer Elektode im Thalamus (Voi/CM)
-die OP wird in Vollnarkose stattfinden
-die Dauer ist noch unklar
Implantation:
- 3-5 Tage nach der ersten OP, wird der 'Schrittmacher' unter dem Schlüsselbein eingesetzt und die Kabel werden unter der Haut verlegt.
- auch wieder in Vollnarkose

wie die Rehabilittionszeit aussehen wird, kann ich noch nicht sagen, aber sobald ich mehr weiß, erfahrt ihr es. 

So das war es jetzt für heute. 
Es hat mir wieder sehr viel Spaß gemacht und ich freue mich schon auf morgen. :) 


 LifeTiccer



7 Kommentare:

  1. Also, die Haare wachsen nach, und ehrlich gesagt, Fakten interessieren mich auch. Hat bestimmt keiner was dagegen, wenn Du die auch berichtest. Ich denke an Dich und: Daumen hoch!
    LG, papillon

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  2. Liebe papillon,
    von dir habe ich fast schon erwartet, dass du nach den Fakten fragst :)
    Und ich habe sie ergänzt.
    Ich hoffe es ist alles richtig geschrieben, denn diese worte sind echte Zungenbrecher bzw. Finderbrecher, wenn man sie tippen muss. :D

    LG
    LifeTiccer

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  3. du schreibst und ich bin gefesselt....von deinen Worten und die Emotionen sind wie lebendig. Freue mich auf mehr :-)))).

    LG Corinna

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  4. Hi fabi schreibst echt toll. Seh den Kobold immer vor mir rum hüpfen. Und höre ihn wie er dir sagt was du tun sollt. Die Fachbegriffe am Ende haben mich etwas erschlagen. Bin schon so gespannt wie es weiter geht und freu mich mit dir mit.

    Mit fröhlichem Gruß. Marina

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